Edeldruckverfahren, als Ausdrucksmittel der Foto-Kunst?

Die Fotografie ist nicht nur eine Abfolge technischer Innovationen, sondern zugleich ein Spiegel ästhetischer, kultureller und künstlerischer Entwicklungen. Insbesondere die sogenannten Edeldruckverfahren – eine Gruppe historischer fotografischer Drucktechniken – markieren einen bedeutenden Abschnitt innerhalb dieser Entwicklung, in dem sich handwerkliche Präzision, chemisch-physikalisches Wissen und künstlerischer Ausdruck auf einzigartige Weise verbinden.

Die Edeldruckverfahren entstanden überwiegend im 19. Jahrhundert, einer Epoche tiefgreifender Umwälzungen in Wissenschaft, Technik und Kunst. Es wäre jedoch verkürzt, sie ausschließlich als Resultat technischer Fortschritte zu betrachten. Vielmehr führten auch gestalterische und ästhetische Bedürfnisse zur Entwicklung neuer Verfahren: der Wunsch nach bildlicher Permanenz, nach differenzierten Tonwerten, nach handwerklicher Kontrolle über den gesamten Entstehungsprozess – und nicht zuletzt nach einem fotografischen Ausdruck, der sich von der mechanischen Reproduktion emanzipiert und sich der Kunst angenähert versteht.

Im Zentrum vieler dieser Verfahren steht die bewusste Verlangsamung und Individualisierung fotografischer Prozesse. Im Gegensatz zu industriellen Reproduktionsmethoden erlauben Edeldrucktechniken eine weitgehende Einflussnahme auf das Endergebnis – durch die manuelle Beschichtung des Papiers, durch variierende Belichtungszeiten, durch Pigmentauswahl und durch selektive Nachbearbeitung. Dieses Maß an Kontrolle und Kreativität macht Edeldruckverfahren zu einem technischen und zu einem künstlerischen Medium.

Zugleich dokumentieren diese Verfahren eine intensive Auseinandersetzung mit Fragen der Materialität und Bildästhetik. Viele ihrer Schöpfer – darunter John Herschel, William Henry Fox Talbot oder Joseph Wilson Swan – waren nicht nur Erfinder, sondern zugleich Forscher, die chemische Prozesse nicht allein zur Reproduktion, sondern zur Erweiterung des fotografischen Ausdrucks einsetzten. Es ist deshalb kein Zufall, dass gerade in der Übergangszeit zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert, als sich die Fotografie zwischen dokumentarischer Genauigkeit und künstlerischem Anspruch neu definierte, zahlreiche Edeldrucktechniken zur Blüte gelangten.

In der Gegenwart, im Zeitalter der digitalen Bilderflut, erfahren Edeldruckverfahren eine bemerkenswerte Renaissance – nicht als nostalgischer Rückblick – sondern als bewusste künstlerische Strategie. Die Kombination aus analogem Handwerk und digitalen Techniken wie der Erstellung von Digitalnegativen ermöglicht neue Ausdrucksformen, in denen Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben sind. Künstler und Künstlerinnen weltweit greifen zu diesen Prozessen, um der Bildproduktion wieder eine entschleunigte und persönliche Dimension zu verleihen. Die Edeldruckverfahren bieten somit nicht nur einen historischen Einblick in die Ursprünge der Fotografie, sondern auch eine aktuelle Antwort auf die Frage nach der künstlerischen Authentizität im digitalen Zeitalter.

Mit dem vorliegenden Beitrag soll ein Überblick über die wichtigsten Edeldruckverfahren gegeben werden, wobei sowohl technische Grundlagen als auch künstlerische Potenziale, historische Entwicklung und gegenwärtige Rezeption beleuchtet werden. Ziel ist es, die Edeldruckverfahren nicht als museale Techniken, sondern als lebendige Ausdrucksformen zu verstehen, die heute so relevant sind wie zu ihrer Entstehungszeit.

2. Grundlagen der Edeldruckverfahren

Die Edeldruckverfahren sind durch eine Reihe charakteristischer Merkmale definiert, die sie grundlegend von den industriell geprägten fotografischen Massenverfahren des 20. Jahrhunderts unterscheiden. Ihr gemeinsames Fundament ist die direkte Belichtung von lichtempfindlich beschichtetem Papier durch ein großformatiges Negativ im Kontaktverfahren. Die so entstehenden Drucke zeichnen sich durch ihre handwerkliche Einzigartigkeit, ihre oft herausragende Archivfestigkeit sowie durch eine besondere Bildästhetik aus, die stark vom verwendeten Material und dem Arbeitsprozess geprägt ist.

2.1 Chemische und physikalische Grundlagen

Die meisten Edeldruckverfahren beruhen auf der lichtempfindlichen Reaktion von Metallsalzen – vor allem Eisen-, Silber-, Platin- oder Chromsalzen – unter UV-Belichtung. Das zu bedruckende Papier wird zunächst per Hand mit einer entsprechenden Emulsion beschichtet und getrocknet. Durch Belichtung mit UV-Licht (meist Sonnenlicht oder spezielle UV-Lampen) reagiert das beschichtete Papier mit einem aufliegenden Negativ. Die lichtempfindlichen Komponenten verändern ihre chemische Struktur, sodass durch nachfolgende Entwicklung oder Auswaschung ein bleibendes Bild entsteht.

Je nach Verfahren erfolgt die Fixierung durch Wasser, Tannin, Ammoniumverbindungen oder Entwicklerlösungen – die Chemie ist vielfältig und teils komplex. Typisch für Edeldrucke ist jedoch die direkte Pigmentierung oder Metallabscheidung im Trägermaterial.

2.2 Materialien und Geräte

Zur Herstellung von Edeldrucken werden folgende Materialien und Werkzeuge benötigt:

  • Hochwertiges Papier (z. B. Aquarellpapier, Washi, Bütten)
  • Lichtempfindliche Emulsionen (je nach Verfahren z. B. Kaliumferricyanid, Platinlösung, Dichromate)
  • UV-Lichtquelle (z. B. Sonnenlicht, Metalldampflampe, UV-Leuchtkasten)
  • Großformatige Negative, traditionell aus Glas, heute oft als Digitalnegative auf transparentem Inkjetfilm
  • Beschichtungswerkzeuge, wie Pinsel, Glasrohr oder Schaumpinsel
  • Entwicklungswannen und Waschbecken
  • Schutzmaßnahmen, wie Handschuhe und gute Belüftung

2.3 Bedeutung des Negativs

Da Edeldruckverfahren im Kontaktverfahren arbeiten, muss das Negativ die gleiche Größe wie das gewünschte Bildformat besitzen. Im 19. Jahrhundert entstanden solche Negative auf Glasplatten (Kollodium- oder Gelatineverfahren). Heute ermöglichen digitale Negative, erstellt am Computer und ausgedruckt auf transparentem Film, eine Wiederbelebung dieser historischen Prozesse selbst für Fotografen ohne Zugang zu Großformatkameras. Das verbindet moderne digitale Aufnahmetechnik mit historischen Druckverfahren – ist ein zentrales Element ihrer heutigen Renaissance.

2.4 Künstlerisches und handwerkliches Potenzial

Ein wesentliches Merkmal aller Edeldruckverfahren ist der hohe Grad an manueller Einflussnahme. Die Art der Papierbeschichtung, die Intensität der Emulsion, Belichtungszeit, Entwicklung und selbst die Nachbearbeitung (Retuschen, Mehrfachbelichtungen, Kombinationen verschiedener Verfahren) erlauben eine künstlerische Gestaltung weit darüber hinaus, was standardisierte Fotolabors bieten. Dies führt zu Unikaten, bei denen der kreative Prozess ebenso wichtig ist wie das fotografierte Motiv.

2.5 Warum Edeldruck heute wieder von Interesse sind

In einer von digitalen Bildern überfluteten Welt sehnen sich viele Künstlerinnen und Fotografinnen nach einer Entschleunigung, greifbaren Ergebnissen, nach einem Medium, das Individualität und Tiefe zulässt. Edeldruckverfahren bieten genau das: Sie sind langsam, materiell, unperfekt – und gerade dadurch Ausdruck einer bewussten Haltung zur Bildproduktion.

Ähnlich wie in der Musikwelt der erneute Zuspruch zur analogen Schallplatte ein Gegengewicht zur makellosen, aber oft als seelenlos empfundenen MP3-Datei oder einer digitalen CD ist, steht auch der Edeldruck für ein Bedürfnis nach haptischer Präsenz und emotionaler Tiefe. Wo die digitale Fotografie Präzision, Geschwindigkeit und Wiederholbarkeit bietet, bringt der Edeldruck Eigenart, Zufall und handwerkliche Spuren ins Bild zurück – ein analoger Widerstand gegen die algorithmisierte Glätte digitaler Bildproduktion.

3. Ein Überblick von gängigen Edeldruckverfahren

3.1 Cyanotypie

Die Cyanotypie zählt zu den ältesten und zugleich zugänglichsten fotografischen Edeldruckverfahren. Sie wurde 1842 von Sir John Herschel, einem britischen Astronomen und Naturwissenschaftler, entwickelt – ursprünglich weniger zur künstlerischen Bildproduktion, sondern zur Reproduktion wissenschaftlicher Zeichnungen, etwa in der Form sogenannter Blueprints. Dennoch wurde das Verfahren rasch auch von Pionieren der Fotografie, etwa Anna Atkins, für bildkünstlerische Zwecke entdeckt und genutzt.

Chemisches Prinzip

Die Cyanotypie basiert auf der lichtempfindlichen Reaktion von Eisen(III)-salzen. Die fotografische Emulsion besteht üblicherweise aus zwei Komponenten:

  • Ammoniumeisen(III)-citrat
  • Kaliumferricyanid (rotes Blutlaugensalz)

Diese Lösungen werden getrennt aufbewahrt und erst unmittelbar vor der Anwendung gemischt. Das Trägermaterial – meist ein saugfähiges Papier – wird gleichmäßig mit der Lösung beschichtet und getrocknet. Bei Belichtung durch ein Negativ unter UV-Licht reduziert sich das Eisen(III) zu Eisen(II), das mit dem Ferricyanid zu Berliner Blau (Eisen(III)-hexacyanoferrat) reagiert – dem charakteristischen tiefen Blau der Cyanotypie. Nicht belichtete Bereiche werden bei der abschließenden Wässerung ausgewaschen.

Technische Eigenschaften

  • Farbe: Typisch preußischblau (je nach Papier und Entwicklung auch nuancierbar)
  • Kontrast: Relativ hoch – weiche Tonwertabstufungen sind begrenzt
  • Papierwahl: Wichtig für Detailtreue und Tonwerte; Baumwoll- oder Aquarellpapiere empfohlen
  • UV-Licht notwendig: Keine Reaktion auf normales Tageslicht
  • Negativgröße: Kontaktverfahren → Negativ in gewünschter Bildgröße erforderlich
  • Langlebigkeit: Sehr gut bei Archivierung unter Ausschluss von Licht; Lichtempfindlichkeit der Blautöne bleibt jedoch bestehen

Künstlerische Qualitäten und Ausdrucksmöglichkeiten

Die Cyanotypie hat eine unverwechselbare ästhetische Identität: Ihre tiefblauen Bilder wirken je nach Motiv entweder sachlich-abstrakt oder poetisch-verträumt. Besonders geeignet ist sie für grafische Darstellungen, Pflanzenfotogramme, Silhouetten, aber auch für Porträts, wenn man mit geeigneten Negativen arbeitet. Durch gezielte Vor- und Nachbearbeitung lassen sich Tonverschiebungen erzielen (z. B. durch Tannin, Kaffee oder Tee), was dem Verfahren zusätzliche kreative Tiefe verleiht.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Berühmt wurde die Cyanotypie durch Anna Atkins, die zwischen 1843 und 1853 botanische Studien in Form von Fotogrammen anfertigte – ein Meilenstein in der Verbindung von Wissenschaft und künstlerischer Fotografie.

Heute wird die Cyanotypie weltweit in Kunsthochschulen, Werkstätten und alternativen Fotoprojekten eingesetzt. Sie gilt als ideales Einstiegverfahren in die Welt der Edeldrucktechniken, da sie kostengünstig, relativ ungiftig und technisch vergleichsweise unkompliziert ist.

Zahlreiche zeitgenössische Künstler und Künstlerinne arbeiten mit Cyanotypie als eigenständigem künstlerischem Medium oder in Kombination mit digitalen Werkzeugen. Digitale Bilddateien werden dabei zu Digitalnegativen verarbeitet, um anschließend in klassischer Handarbeit auf Papier übertragen – ein hybrider Prozess, der der Cyanotypie zu neuer künstlerischer Relevanz verholfen hat.

Beispiele zeitgenössischer Arbeiten finden sich etwa bei:

·  Jesseca Ferguson (USA): Arbeitet mit Cyanotypie, Anthotypie und Lochkamera-Fotografie. Ihre Werke kombinieren Collagen und organische Materialien und sind in bedeutenden Sammlungen vertreten.

·  Emma Powell (USA): Nutzt Cyanotypie in surrealen Selbstporträts mit digitalen Negativen und experimentellen Tönungen.

·  Cynthia MacCollum (USA): Bekannt für naturinspirierte Cyanotypien von abstrakten bis repräsentativen Motiven.

·  Jacek Gonsalves (Australien): Schafft limitierte Cyanotypie-Drucke tropischer Pflanzen und vertreibt sie über seine Website.

3.2 Salzdruck (Salt Print)

Der Salzdruck zählt zu den ältesten fotografischen Edeldruckverfahren und wurde von William Henry Fox Talbot um 1839 entwickelt. Er markiert einen entscheidenden Schritt in der Geschichte der Fotografie, da er die erste Methode zur Herstellung von fotografischen Positiven auf Papier darstellt.

Chemisches Prinzip

Das Verfahren basiert auf der lichtempfindlichen Reaktion von Kochsalzlösung (Natriumchlorid) und Silbersalzen (Silbernitrat). Zunächst wird ein saugfähiges Papier in eine Natriumchloridlösung getaucht, anschließend getrocknet und dann mit einer Silbernitratlösung behandelt. Dabei bildet sich eine lichtempfindliche Schicht aus Silberchlorid auf der Papieroberfläche.

Bei Belichtung durch ein Negativ (oder eine Camera Obscura) unter UV-Licht werden die Silberchloridkristalle reduziert und bilden ein Bild aus metallischem Silber. Nach der Belichtung wird das Papier in einem Fixierbad (meist Natriumthiosulfat) behandelt, um unbelichtete Salze auszuwaschen und das Bild lichtbeständig zu machen.

Technische Eigenschaften

  • Farbton: Warmbraun bis Sepia, abhängig von Papier und Entwicklung
  • Tonwertumfang: Weich und mit weiten Abstufungen, jedoch vergleichsweise geringer Kontrast als spätere Verfahren
  • Papier: Wichtig ist ein saugfähiges, strukturiertes Papier (z. B. Aquarellpapier)
  • Belichtung: Kontaktverfahren → Negativ in gewünschter Bildgröße erforderlich
  • Langlebigkeit: Bei korrekter Archivierung sehr gut, aber lichtempfindlich gegen UV-Strahlung

Künstlerische Qualitäten und Ausdrucksmöglichkeiten

Salzdrucke zeichnen sich durch ihren weichen, warmen Charakter aus, der oft als nostalgisch oder poetisch empfunden wird. Die Kombination aus Papierstruktur und Sepiaton verleiht den Bildern eine fast malerische Qualität. Künstlerisch wird der Salzdruck häufig verwendet, um atmosphärische Porträts, Landschaften oder Stillleben zu gestalten.

Historische und zeitgenössische Anwendung

William Henry Fox Talbot selbst nutzte das Verfahren für seine berühmten „The Pencil of Nature“-Abbildungen. In der heutigen Kunstszene erlebt der Salzdruck eine Renaissance, insbesondere im Bereich der alternativen Fotografie.

Zeitgenössische Künstler*innen, die den Salzdruck einsetzen oder weiterentwickeln, sind unter anderem:

  • Linda Connor (USA): Nutzt Salzdrucke, um spirituelle Landschaften mit atmosphärischer Tiefe zu schaffen.
  • Sally Mann (USA): Bekannt für experimentelle, oft intime Porträtserien mit salzgedruckten Elementen.
  • Adam Fuss (UK/USA): Arbeitet mit historischen Verfahren einschließlich Salzdruck und kombiniert sie mit modernen Techniken.

3.3 Kollodium-Nassplattenverfahren (Wet Plate Collodion)

Das Kollodium-Nassplattenverfahren, entwickelt 1851 von Frederick Scott Archer, war über zwei Jahrzehnte hinweg das führende fotografische Verfahren. Es vereint beeindruckende Detailgenauigkeit mit einer fast geisterhaften Ästhetik und ist besonders durch seine Verwendung in Ambrotypien (auf Glas) und Tintypien/Ferrotypien (auf Metall) bekannt geworden.

Chemisches Prinzip

Das Verfahren basiert auf der Verwendung von Kollodium, einer Lösung aus Nitrocellulose in Alkohol und Ether, die mit Jod- oder Bromsalzen versetzt ist. Diese Lösung wird auf eine Glas- oder Metallplatte gegossen und noch im feuchten Zustand in ein Silbernitratbad getaucht, wodurch lichtempfindliches Silberhalogenid entsteht.

Die Platte muss sofort nach der Sensibilisierung belichtet werden, solange sie noch feucht ist – daher der Name Nassplattenverfahren. Nach der Belichtung erfolgt die Entwicklung vor Ort, meist mit Eisensulfat oder Pyrogallol, dann das Fixieren (z. B. mit Natriumthiosulfat) und abschließend die Versiegelung mit Lack oder Firnis.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Glas (Ambrotypie), Schwarz lackiertes Eisenblech (Ferrotypie/Tintype)
  • Tonwerte: Sehr hoher Detailreichtum, weicher Kontrast, hoher Dynamikumfang
  • Farbcharakter: Monochrom (silbrig-grau bis braun), stark abhängig von Entwicklung und Licht
  • Belichtung: Sehr lichtempfindlich gegenüber Blau → schwierige Belichtung von Hauttönen
  • Empfindlichkeit: ISO 0,5–1 (extrem niedrig) → lange Belichtungszeiten
  • Aufwand: Hoher logistischer und chemischer Aufwand – „mobiles Dunkellabor“ nötig

Künstlerische Qualitäten

Das Kollodiumverfahren erzeugt Bilder mit einer schönen Anmutung: Die Kombination aus Glas/Metall, der feinen Ätzwirkung der Chemikalien, Kratzern, Randunschärfen und dem charakteristischen Glanz des Kollodiums gibt jedem Bild eine Tiefe, die digitale Medien kaum nachahmen können. Der „unperfekte Perfektionismus“ und die Unwägbarkeiten des Prozesses sind ein wichtiger Bestandteil seiner Faszination.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Im 19. Jahrhundert war das Verfahren weitverbreitet in der Porträt- und Reisefotografie, später verdrängt durch trockenere und praktischere Techniken. Heute erlebt es in der Kunstfotografie eine erstaunliche Wiederentdeckung .

Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen, die mit dem Nassplattenverfahren arbeiten:

  • Sally Mann (USA): Nutzt Kollodium für ihre berühmten Porträts und Landschaften. Ihre Bilder thematisieren Vergänglichkeit, Familie, Körperlichkeit und Tod.
  • Luther Gerlach (USA): Arbeitet mit einem selbstgebauten Großformatkamera-Wagen und gibt weltweit Workshops zum Nassplattenverfahren.
  • Borut Peterlin (Slowenien): Verbindet Kollodiumtechnik mit experimenteller Fotografie und Performance, auch für politische Bildinhalte.
  • Michael Shindler (USA): Hat über 4000 Nassplattenporträts aufgenommen und betreibt ein Studio in San Francisco.
  • Christine Gössler (Österreich): Beschäftigt sich mit dem historischen Verfahren in Verbindung mit zeitgenössischer Porträtkunst.

Viele dieser Künstler bauen ihre Kameras selbst, reisen mit mobilen Dunkelkammern oder kombinieren digitale Bildbearbeitung mit analogen Techniken, etwa durch gedruckte Digitalnegative für Kontaktkopien.

3.4 Albumindruck (Albumen Print)

Der Albumindruck ist eines der bedeutendsten frühen fotografischen Verfahren und wurde in den 1850er Jahren von Louis-Désiré Blanquart-Evrard in Frankreich perfektioniert. Es war das erste Verfahren, das es ermöglichte, Fotografien in großen Auflagen zu reproduzieren, und blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Standardverfahren in der Fotografie, besonders in der Porträtfotografie.

Chemisches Prinzip

Der Albumindruck nutzt Eiweiß (Albumen), das aus Hühnereiern gewonnen wird, um eine lichtempfindliche Schicht auf Papier zu erzeugen. Diese Eiweißlösung wird auf ein sehr glattes, saugfähiges Papier aufgetragen, das dann mit einer Mischung aus Silbernitrat sensibilisiert wird, wodurch Silberhalogenide entstehen. Nach der Belichtung im Kontaktverfahren wird das Bild mit einer Mischung aus entwickelnden Chemikalien (z. B. Eisen(III)-salzen) entwickelt und anschließend fixiert.

Wichtig: Die typische glänzende Oberflächenstruktur der Albumen-Abzüge entsteht durch die Verwendung des Eiweißes, das eine spiegelglatte, fast seidige Textur hinterlässt. Der Prozess ist arbeitsintensiv, da der Albumenabzug in mehreren Schichten aufgetragen und getrocknet werden muss.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Glattes Papier, meist auf Albuminbasis
  • Farbton: Warm, von goldgelb bis braun, je nach Entwicklung und Tönung
  • Detailreichtum: Sehr feine Details durch die glatte Oberfläche und hohe Schärfe
  • Haltbarkeit: Sehr gute Langlebigkeit, besonders bei hochwertigen Materialien
  • Belichtung: Im Kontaktverfahren, d. h. das Negativ muss die gleiche Größe wie das endgültige Bild haben
  • Anwendungen: Wird häufig für Porträts, Landschaften und Architekturfotografie verwendet

Künstlerische Qualitäten

Der Albumindruck zeichnet sich durch seine hochglänzende Oberfläche und die lebendige Farbtiefe aus. Die Papierstruktur bleibt praktisch unsichtbar, was den Bildern eine glatte, fast malerische Anmutung verleiht. Die Verwendung von Eiweiß bringt eine besonders warme und seidige Textur hervor, die die detailreiche Darstellung von Haut und Textilien begünstigt – daher auch der große Erfolg des Verfahrens in der Porträtfotografie des 19. Jahrhunderts.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Der Albumindruck war die bevorzugte Methode, um Fotografien zu vervielfältigen, sei es für den kommerziellen Verkauf oder für den privaten Gebrauch. Historische Fotografen wie Nadar und Julia Margaret Cameron nutzten es für ihre Werke. Heute wird es vor allem von Künstler und Künstlerinnen verwendet, die den Charme und die Ästhetik historischer Verfahren wieder aufleben lassen möchten.

Zeitgenössische Künstler, die mit dem Albumindruck arbeiten:

  • Irina Ionesco (Frankreich): Ihre Arbeiten, oft erotisch oder mystisch anmutend, nutzen den Albumenprozess, um eine sinnliche, nostalgische Atmosphäre zu schaffen.
  • Ben Horne (USA): Arbeitet mit analogen Verfahren und Albumenabzügen, um Naturlandschaften und weitläufige Szenen darzustellen, die durch den Albumenprozess eine nostalgische Tiefe erhalten.

3.5 Platin- Palladium-Druck

Der Platin- Palladium-Druck zählt zu den edelsten und dauerhaftesten fotografischen Druckverfahren. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts populär, als das Verfahren von William Willis und Joseph Swan entwickelt und verfeinert wurde. Der hohe Druckwert und die beständige Farbigkeit machten es besonders attraktiv für Künstlerinnen und Sammlerinnen.

Chemisches Prinzip

Das Verfahren nutzt eine Mischung aus Platin und Palladium, beides edelmetallische Elemente, die in einer lichtempfindlichen Lösung (die häufig auch Ferric Oxalate enthält) auf das Papier aufgetragen werden. In der traditionellen Ausführung werden die chemischen Lösungen auf das Papier gestrichen, das dann mit einem Negativ in Kontakt gebracht wird und im UV-Licht belichtet wird.

Nach der Belichtung wird das Bild durch eine Entwicklungslösung in Eisenoxalat fixiert, wodurch das Bild auf der Papieroberfläche fixiert wird und die edelmetallischen Salze (Platin und Palladium) metallisch sichtbar bleiben. Die resultierenden Drucke sind extrem lichtbeständig und zeichnen sich durch eine einzigartige Farbigkeit aus, die von einem weichen schwarzen bis zu warmtonigen Brauntönen reichen kann.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Hochwertiges, saugfähiges Papier wie Arches Platine oder ähnliches
  • Farbton: Sehr warm, von sattem Schwarz bis sanften Brauntönen
  • Kontrast: Hoher Dynamikumfang, weiche Übergänge und besonders feine Schattierungen
  • Haltbarkeit: Außerordentlich hoch, Platin/Palladium-Drucke sind fast unzerstörbar
  • Langlebigkeit: Dank der Widerstandsfähigkeit der edlen Metalle sind die Drucke sehr resistent gegen Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung oder Feuchtigkeit.
  • Belichtung: Sehr langwierig, da Platin/Palladium weniger lichtempfindlich sind als Silberhalogenide

Künstlerische Qualitäten

Der Platin- Palladium-Druck bietet eine fast „malerische“ Qualität, die Fotografien eine tiefe, dreidimensionale Struktur verleiht. Die einzigartige Farbgebung macht das Verfahren besonders für künstlerische Porträts, Landschaften und Stillleben geeignet. Der hohe Detailreichtum und die sanfte Tonalität bieten eine interessante Alternative zu den typischen Silberhalogenid- oder Pigmentdruckverfahren.

Die Anwendung von Platin und Palladium bringt eine subtile, fast transparente Lichtdurchlässigkeit auf die Drucke, wodurch eine besonders edle und zeitlose Wirkung entsteht. Das Verfahren ist sowohl in der analogen als auch in der digitalen Fotografie beliebt, da es sowohl mit analogen Filmen als auch mit digitalen Negativen genutzt werden kann.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Bereits im 19. Jahrhundert fanden Platin/Palladium-Drucke Anwendung bei bedeutenden Fotografen wie Alfred Stieglitz und Edward Weston. Heute erlebt der Platin- Palladium-Druck eine Renaissance, insbesondere bei Künstler und künstlerinnen, die auf der Suche nach dauerhaften, archivbeständigen und ästhetisch ansprechenden Druckverfahren sind.

Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen, die mit dem Platin- Palladium-Druck arbeiten:

  • Michael Kenna (Vereinigtes Königreich/USA): Bekannt für seine minimalistischen Landschaften, die oft in einem platin/palladium Print erscheinen. Seine Arbeiten zeichnen sich durch sanfte Tonwerte und starke Kontraste aus.
  • Keith Carter (USA): Verwendet das Verfahren, um seine intimen, oft surrealen Porträts und Landschaften zu präsentieren.
  • Berenice Abbott (USA): Ihre experimentellen Arbeiten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umfassen auch Platin/Palladium-Drucke, die Architektur und urbanes Leben thematisieren.

3.6 Albumindruck mit Goldtonung

Die Goldtonung ist eine Erweiterung des Albumenverfahrens und wurde ab den 1860er Jahren verwendet, um die Langlebigkeit und den visuellen Reiz von Albuminabzügen zu erhöhen. Der Hauptzweck der Goldtonung war es, die Farben und Kontraste der Albumenabzüge zu intensivieren und eine höhere Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen zu gewährleisten.

Chemisches Prinzip

Nach der Entwicklung und Fixierung eines Albumenabzugs wird der Abzug in eine Lösung aus Goldchlorid getaucht. Das Goldsalz reagiert mit den Silberionen im Bild, was dazu führt, dass Gold anstelle von Silber im Bildmaterial abgelagert wird. Dies bewirkt nicht nur eine langfristige Stabilität des Drucks, sondern auch eine Veränderung der Tonalität.

Der Goldtonungsprozess kann verschiedene Farbtöne erzeugen, von rötlich-goldenen bis zu dunklen, fast schwarzen Tönen, abhängig von der Menge an Gold und der Dauer des Tönungsprozesses.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Albuminabzug (meist auf fein strukturiertem, glattem Papier)
  • Farbton: Varriert je nach Goldtonung, typischerweise von warmgoldenen bis dunkelbraunen bis hin zu schwarzen Tönen
  • Dauerhaftigkeit: Deutlich erhöht im Vergleich zu Albuminabzügen ohne Goldtonung, da das Gold im Abzug stabiler und resistenter gegenüber Licht ist
  • Kontrast: Der Goldtonungsprozess verstärkt den Kontrast und führt zu einem reicheren, tiefen visuellen Eindruck
  • Belichtung und Entwicklung: Wie beim Albumenprozess, jedoch mit zusätzlichem Schritt der Goldtonung

Künstlerische Qualitäten

Der goldene Glanz der getönten Abzüge verleiht den Bildern eine unvergleichliche Tiefe und Wärme, die sie sowohl zeitlos als auch luxuriös erscheinen lässt. Dieser spezielle Effekt wird vor allem in der Porträtfotografie geschätzt, da er den Hauttönen eine unverwechselbare Lebendigkeit verleiht. Goldtonungen können auch zu surrealen oder mystischen visuellen Eindrücken führen, was sie bei künstlerischen Fotografen sehr beliebt macht.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Die Goldtonung war vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine gängige Technik, um die hochwertige Präsentation von Fotografien zu gewährleisten, insbesondere in der Porträtfotografie. Obwohl der Prozess heutzutage seltener angewendet wird, gibt es nach wie vor Fotografen, die die Technik für die Erhaltung historischer Werke oder für ihre künstlerischen Projekte verwenden.

Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen, die mit Albumindruck und Goldtonung arbeiten:

  • Jack Curran (USA): Arbeitet mit Albumin- und Goldtonung in einer Kombination aus klassischen Techniken und modernen Konzepten.
  • Nancy Rexroth (USA): Ihre Arbeiten mit goldtonierten Albumenabzügen setzen sich mit amerikanischer Landschaft und der Verbindung von Natur und Fotografie auseinander.
  • Michael Kenna (Vereinigtes Königreich/USA): Der bekannte Landschaftsfotograf hat auch Albuminabzüge mit Goldtonung in seinem Repertoire, wobei er die warme Farbigkeit für seine stimmungsvollen Landschaften nutzt.

3.8 Gummidruckverfahren

Der Gum Bichromate-Prozess ist eines der ältesten alternativen Fotoverfahren und wurde Ende des 19. Jahrhunderts populär. Besonders bemerkenswert ist, dass es Künstlern erlaubt, mit einer großen Bandbreite von Farbtönen zu experimentieren, da der Prozess nicht nur mit Schwarz-Weiß-Bildern, sondern auch mit farbigen Drucken arbeitet. Das Verfahren ist ideal für die Herstellung von künstlerischen, einzigartigen Drucken, die durch ihre malerische Textur und die Zufälligkeit des Entwicklungsprozesses charakterisiert sind.

Chemisches Prinzip

Das Gummidruckverfahren verwendet Gummi arabicum, das in einer Lösung von Kaliumbichromat und Wasser gelöst wird. Diese Mischung wird auf ein Papier aufgetragen, das dann getrocknet wird. Nach dem Auftragen des Gummis wird das Bild auf Positivfilm belichtet. Das Kaliumbichromat in der Gummilösung macht den Gummi je nach Belichtungsintensität lichtempfindlich. Das Bild wird entwickelt, indem das Papier mit Wasser behandelt wird, wodurch die belichteten Bereiche des Gummis weggespült werden und ein Bild hinterlassen.

Ein besonderes Merkmal des Verfahrens ist die Möglichkeit, mit verschiedenen Farbstoffen zu arbeiten, die in die Gummilösung integriert werden können, was zu lebendigen und unterschiedlichen Farbtönen führt. Durch das Schichten des Gummis und die Kontrolle der Belichtung kann der Künstler oder die Künstlerin eine viele verschiedene ästhetische Stile und Texturen erzeugen.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Meist hochwertiges Aquarellpapier oder spezielles Fotopapier, das die Gummilösung gut aufnimmt
  • Farben: Der Prozess erlaubt das Experimentieren mit einer Vielzahl von Farben, von schwarzen bis zu vibranten Rot-, Blau- und Gelbtönen
  • Kontrast: Der Kontrast ist stark von der Belichtung und der Schichttechnik abhängig. Der Künstler kann den Kontrast selbst beeinflussen und den gewünschten Stil erzielen.
  • Haltbarkeit: Gummidrucke sind langfristig haltbar, insbesondere wenn sie aus hochwertigen Materialien hergestellt werden. Einige der älteren Arbeiten sind jedoch im Laufe der Zeit verblasst, besonders wenn minderwertige Chemikalien verwendet wurden.
  • Belichtung: Der Gummidruck erfordert eine starke UV-Lichtquelle und eine lange Belichtungszeit. Meist wird das Bild im Kontaktverfahren auf das Papier übertragen.

Künstlerische Qualitäten

Der Gummidruck zeichnet sich durch eine hochgradige Flexibilität und eine viele verschiedene stilistische Möglichkeiten aus. Die Oberfläche des Drucks ist reich strukturiert und kann leicht malerisch wirken, da das Papiertextur und die verschiedenen Schichttechniken sichtbar bleiben. Die Möglichkeit, mit Farben zu arbeiten, führt zu sehr subjektiven und ausdrucksstarken Ergebnissen, die von Fotografen und Künstlern sehr geschätzt werden.

Besonders faszinierend ist die Zufälligkeit des Prozesses: Die Menge des Spülens, der Trocknungsprozess und die spezifische chemische Reaktion mit der Oberfläche des Papiers führen zu unvorhersehbaren und einzigartigen Ergebnissen, die jede Arbeit zu einem Unikat machen.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Der Gummidruck fand in der künstlerischen Fotografie besonders im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Anwendung, verlor jedoch später an Popularität, als einfachere Drucktechniken aufkamen. Heute erleben die Gummidruckverfahren eine kleine Renaissance, vor allem in der alternativen Fotografie und bei Künstlern, die experimentelle Fotografie mit künstlerischen Aspekten kombinieren möchten.

Zeitgenössische Künstler, die mit dem Gummidruckverfahren arbeiten:

  • Vera Lutter (Deutschland/USA): Sie verwendet alternative Fototechniken, einschließlich des Gummidruckverfahrens, um ihre visionären, atmosphärischen Stadtlandschaften zu schaffen.
  • Barbara Ess (USA): Ihre Arbeiten kombinieren oft Fotografie und Malerei, und sie verwendet das Gummidruckverfahren, um sehr expressiv und experimentell zu arbeiten.
  • Brian Taylor (Großbritannien): Bekannt für seine experimentellen Arbeiten, die alternative Druckverfahren wie das Gummidruckverfahren einbeziehen, um kunstvolle und texturierte Landschaften zu schaffen.
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3.9 Höchheimer Gummidruck

Der Höchheimer Gummidruck ist eine spezielle Weiterentwicklung des klassischen Gummidruckverfahrens. Die Methode wurde in Höchheim (Bayern) von engagierten Künstler und Technikern weiterentwickelt, um die Ausdrucksmöglichkeiten der ursprünglichen Technik zu erweitern. Dabei liegt der Fokus besonders auf Mehrschichtigkeit, Tonwertkontrolle und einer stärkeren malerischen Wirkung. Der Höchheimer Gummidruck wird heute vor allem von experimentellen Fotokünstlerinnen genutzt, die das Zusammenspiel von Handwerk, Licht und Pigment auf feinfühlige Weise erforschen möchten.

Chemisches Prinzip

  • Der Gummidruck basiert auf der lichtempfindlichen Reaktion von Gummiarabikum, das mit Dichromaten und Pigmenten gemischt wird. Beim Höchheimer Gummidruck wird diese Grundform durch präzise kontrollierte Mehrfachbeschichtungen, alternative Pigmente und längere Entwicklungszeiten verfeinert.
  • Zunächst wird eine Mischung aus Gummiarabikum, Pigmentfarbe und einem lichtempfindlichen Dichromat (meist Kalium- oder Ammoniumdichromat) auf ein hochwertiges Aquarellpapier aufgetragen. Nach der Trocknung wird das Papier unter einem großformatigen Negativ belichtet. Die belichteten Bereiche härten aus und nehmen weniger Wasser auf, während die unbelichteten Stellen wasserlöslich bleiben.
  • Das Bild entsteht durch vorsichtiges Auswaschen der nicht gehärteten Schichten. Beim Höchheimer Verfahren erfolgt dies besonders behutsam – oft in mehreren Schritten und unter Einsatz von Pinseln oder Schwämmen. Danach werden weitere Farbschichten aufgetragen und belichtet. Durch diesen Schichtaufbau kann eine nahezu malerische Wirkung erzielt werden.

Technische Eigenschaften

Bildträger: Hochwertiges, stark geleimtes Aquarellpapier (z. B. Hahnemühle, Arches)
Farben: Künstlerpigmente in Gummi arabicum, oft in mehreren Farbschichten übereinander aufgetragen
Kontrast: Sehr variabel; der Höchheimer Gummidruck erlaubt eine exakte Tonwertsteuerung durch Schichtdichte und Belichtungsdauer
Haltbarkeit: Hoch – Pigmente und Gummi sind äußerst langlebig, das Papier muss jedoch archivgerecht gelagert werden
Belichtung: UV-Licht durch ein Großnegativ; je nach Lichtquelle und Emulsion zwischen 5 und 30 Minuten pro Schicht

Künstlerische Qualitäten

  • Der Höchheimer Gummidruck ist ein ausgesprochen langsames und bewusstes Verfahren. Jeder Arbeitsschritt – vom Mischen der Pigmente bis zur finalen Entwicklung – erfordert Geduld, Erfahrung und ein gutes Gespür für Bildwirkung. Die Ergebnisse sind visuell und haptisch einzigartig: matte, samtene Oberflächen mit subtilen Farbnuancen, oft mit einer fast gemäldeartigen Tiefenwirkung.
  • Die Technik eignet sich besonders für Porträts, Landschaften und Stillleben, bei denen eine emotionale, ruhige Bildsprache im Vordergrund steht. Durch die manuelle Applikation und das schichtweise Arbeiten ist jeder Druck ein Unikat, das nicht exakt reproduziert werden kann.

Historische und zeitgenössische Anwendung

  • Obwohl der klassische Gummidruck bereits im 19. Jahrhundert als eine der ersten fotografischen Alternativtechniken aufkam, wurde das Verfahren in Höchheim weiterentwickelt und methodisch verfeinert. Im Gegensatz zum ursprünglichen Verfahren, das häufig nur eine Farbschicht verwendete, setzt der Höchheimer Gummidruck auf kontrollierte Mehrschichtauftragung und präzise Tonwertsteuerung.
  • Heute findet man die Technik vor allem in künstlerischen Werkstätten, bei alternativen Fotokursen und in experimentellen Ausstellungen. Besonders in der internationalen Edeldruck-Community hat der Höchheimer Gummidruck einen festen Platz gefunden.

  • Zeitgenössische, Künstler die mit Höchheimer Gummidruck arbeiten:
    Günter Spitzing (Deutschland): Einer der Pioniere dieser Technik; Autor mehrerer Fachbücher zu Edeldruckverfahren, darunter auch dem Höchheimer Verfahren.

3.10 Öldruck (Drucktechnik mit Ölfarben)

Der Öldruck ist ein grafisches Druckverfahren, das sich durch die Verwendung von Ölfarben auszeichnet und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowohl in der Kunstgrafik als auch im Bereich der experimentellen Fotografie eine besondere Rolle spielte. Die Technik vereint Elemente der klassischen Radierung mit chemischen Reaktionen auf Gelatinebasis, was eine Verbindung zwischen fotografischen und druckgrafischen Verfahren herstellt. In der zeitgenössischen Kunst wird der Öldruck zunehmend als Mittel zur Kombination von Fotografie, Malerei und Druckgrafik wiederentdeckt

Chemisches Prinzip

Beim Öldruck handelt es sich um ein sogenanntes pigmentbasiertes Druckverfahren. Grundlage ist ein Bild, das zunächst auf eine mit Gelatine beschichtete Oberfläche übertragen wird. Diese Gelatine wird zuvor in einer Kaliumdichromat-Lösung sensibilisiert. Nach Belichtung durch ein Negativ härtet die Gelatine an den belichteten Stellen aus. Die unbelichteten Bereiche bleiben wasserlöslich.

Nach dem Belichtungsprozess wird das Bild in Wasser eingeweicht. Die Gelatine quillt dabei auf. Anschließend wird mit einer ölhaltigen Druckfarbe über die Oberfläche gewalzt oder getupft. Die Farbe haftet nur an den gehärteten (belichteten) Gelatinestellen – die ungehärteten nehmen keine Farbe an, da sie noch wasserhaltig sind. Das Resultat ist ein monochromes oder mehrfarbiges Bild mit hoher Dichte und feiner Struktur.

Technische Eigenschaften

Bildträger: Dickes Papier, Karton oder Leinwand, beschichtet mit chromatisierter Gelatine
Farben: Ölfarben in meist monochromer Ausführung, häufig in warmen oder sepia ähnlichen Tönen
Kontrast: Mittel bis hoch, abhängig von der Dauer der Belichtung und der Härte der Gelatineschicht
Haltbarkeit: Sehr stabil, da Ölfarben langlebig sind – allerdings empfindlich gegenüber Feuchtigkeit im nicht vollständig ausgehärteten Zustand
Belichtung: UV-Licht durch ein fotografisches Negativ; die Dauer variiert je nach Lichtquelle und Emulsion von 30 Minuten bis einige Studen.

Künstlerische Qualitäten

Der Öldruck verbindet das malerische Element der Handarbeit mit der Detailtreue der Fotografie. Jeder Druck ist ein Unikat, da die Farbe manuell aufgetragen wird. Dies verleiht dem Bild eine tiefe Textur und eine taktile Qualität, die maschinell hergestellte Drucke nicht bieten können.

Besonders geschätzt wird die expressive Wirkung der Ölfarben, die ein breites Spektrum an Tonwerten zulassen – von subtilen Abstufungen bis zu kräftigen, dramatischen Kontrasten. Die Technik erlaubt sowohl grobe als auch fein nuancierte Darstellungen und wird heute oft verwendet, um Fotografien in eine neue, bildnerische Ebene zu überführen.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Der Öldruck wurde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als Teil der sogenannten Edeldruckverfahren entwickelt, zu denen auch der Gummidruck gehört. In der Piktorialismus-Bewegung war der Öldruck besonders beliebt, weil er Fotografen ermöglichte, ihre Arbeiten stärker wie Gemälde wirken zu lassen.

Heute erlebt der Öldruck eine Renaissance in der künstlerischen Fotografie. Besonders in Ateliers, die sich auf analoge und alternative Verfahren spezialisiert haben, wird die Technik als Ausdrucksmittel wiederentdeckt. Die Kombination aus chemischem Wissen, handwerklichem Können und ästhetischem Gespür macht den Öldruck zu einer besonderen Form der künstlerischen Selbstverwirklichung.

Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen, die mit Öldruck arbeiten:
Mark Nelson (USA): Experte für Edeldruckverfahren und Mitautor eines Handbuchs über den modernen Öldruck.
Heidi Kirkpatrick (USA): Kombiniert fotografische Porträts mit alternativen Verfahren, darunter auch Öldruck.
Christine Anderson (Kanada): Verwendet Öldrucke, um Landschaften in malerischer Qualität zu inszenieren – oft in Kombination mit Mixed-Media-Techniken.

3.11 Kallitypie (Kallitype)

Die Kallitypie ist ein weiteres historisches Druckverfahren, das im späten 19. Jahrhundert von Herman Wilhelm Vogel und A. F. L. Neumann entwickelt wurde. Es handelt sich um einen Eisenbasierten Druckprozess, der für seine starke Tonalität und seine hohe Detailtreue bekannt ist. Wie viele andere edeldruckverfahren bietet die Kallitypie eine hohe Langzeitstabilität und eine große künstlerische Freiheit.

Chemisches Prinzip

Die Kallitypie nutzt Silbernitrat und Ferricyanid als Hauptbestandteile der lichtempfindlichen Lösung. Der Prozess beginnt mit der Beschichtung eines Papiers mit einer Mischung aus diesen Chemikalien. Das Papier wird dann belichtet, wobei das Silber durch die UV-Strahlung reduziert wird. Nach der Belichtung wird das Bild entwickelt und fixiert, wodurch die typischen braunen bis schwarzen Töne entstehen.

Der wichtigste Unterschied zu anderen Eisenprozessen wie der Cyanotypie ist, dass hier die Silberionen anstelle von Eisenverbindungen verwendet werden, um das Bild zu erzeugen. Diese Kombination von Silber und Eisen sorgt für eine sehr hohe Detailschärfe und eine gelebte Farbtiefe, die in der Fotografie einzigartig ist.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Hochwertiges, mattes Papier, das in der Lage ist, die lichtempfindliche Lösung zu absorbieren
  • Farben: Hauptsächlich braun, aber je nach verwendeten Chemikalien und Papier kann das Verfahren auch bläuliche, grünliche oder schwärzliche Töne erzeugen
  • Kontrast: Sehr hoher Kontrast und detailreiche Bildwiedergabe
  • Haltbarkeit: Wie bei den meisten edeldruckverfahren zeichnet sich auch die Kallitypie durch eine hervorragende Lichtbeständigkeit und lange Haltbarkeit aus
  • Belichtung: Mittellange Belichtungszeit, benötigt aber eine UV-Lichtquelle für die Lichtreduktion von Silber

Künstlerische Qualitäten

Die Kallitypie wird besonders für ihre malerische Qualität und die intensive Bildwirkung geschätzt. Die Vielzahl an Tönen und die Fähigkeit, sehr feine Details darzustellen, machen sie ideal für die Porträtfotografie und für Fotografien, die dynamische Schattierungen und Tonwerte erfordern. Die Ergebnisse sind in der Regel sehr reich an Texturen und bieten eine subtile, fast pastellartige Oberflächentextur, die durch den spezifischen chemischen Prozess hervorgerufen wird.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Obwohl die Kallitypie lange Zeit ein nischen Verfahren war, wird es heute von Künstler und Künstlerinnen der alternativen Fotografie geschätzt, die das Verfahren für eine künstlerische Freiheit und chemische Vielfalt verwenden. Die Methode hat eine vergleichbare ästhetische Anziehungskraft wie andere Edeldruckverfahren und wird häufig in der Kunstfotografie und bei limitieren Auflagen angewendet.

Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen, die mit Kallitypie arbeiten:

  • Jack Curran (USA): Ein Künstler, der auf eine breite Palette von Edeldrucktechniken, einschließlich der Kallitypie, zurückgreift
  • Robert Hirsch (USA): Ein Vertreter der alternativen Fotografie, der die Kallitypie in vielen seiner Arbeiten verwendet, um historische und kulturelle Themen zu behandeln.
  • Laura Zalenga (Deutschland): Eine Künstlerin, die sich auf Porträtfotografie spezialisiert hat und oft alternative Verfahren wie die Kallitypie verwendet, um ihre Arbeiten in einem klassischen, handwerklichen Stil zu präsentieren.

3.12 Van Dyke Brown (Van Dyke-Verfahren)

Das Van Dyke Brown-Verfahren ist ein weiteres bedeutendes alternatives Fotografisches Verfahren, dass in den 1890er Jahren populär wurde. Es wurde von dem Chemiker Sir William de Wiveleslie Abney entwickelt und verwendet eine Mischung aus Eisenverbindungen, ähnlich wie die Cyanotypie, aber mit einer braunen Tönung, die den Abzügen ihren einzigartigen Charakter verleiht. Besonders die erdigen Töne und die tiefen Schattierungen machen das Verfahren zu einer beliebten Wahl bei Fotografen, die den antiken Look und die dichte Tonalität historischer Fotografien nachahmen möchten.

Chemisches Prinzip

Das Van Dyke Brown-Verfahren basiert auf einer Mischung aus Eisen(III)-ammoniumcitrat, Kaliumferricyanid und Silbernitrat, das auf das Papier aufgetragen wird. Nachdem das Bildmaterial belichtet wurde, entwickelt der Fotograf oder die Fotografin das Bild durch Waschen, wobei die belichteten Bereiche durch die chemische Reaktion ein tiefes, braunes Bild erhalten. Unbelichtete Bereiche werden abgewaschen.

Ein bemerkenswerter Aspekt des Van Dyke-Verfahrens ist die Farbvariation: Die Ergebnisse variieren von warmer, dunkler Schokolade bis zu dunkelbraunen bis fast schwarzen Tönen. Der Prozess ist besonders für seine hohe Detailgenauigkeit und den weichen Kontrast bekannt.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Wie bei anderen edeldruckverfahren wird in der Regel feines, mattes Papier verwendet
  • Farben: Typischerweise braune bis dunkle Töne, die den Bildabzügen eine erdige, warme Ausstrahlung verleihen
  • Kontrast: Der Kontrast ist in der Regel mittel bis hoch, was den Bildern eine gewisse Tiefe und Struktur verleiht.
  • Haltbarkeit: Van Dyke Brown-Drucke sind relativ langlebig und behalten ihre Farbtiefe über die Jahre hinweg, wenn sie richtig behandelt werden.
  • Belichtung: Der Prozess benötigt eine mäßige Belichtungszeit unter UV-Licht, und der Entwicklerprozess führt zu einem sofort sichtbaren Bild.

Künstlerische Qualitäten

Die warme, erdige Farbgebung des Van Dyke Brown-Verfahrens macht es besonders geeignet für Porträtfotografie, historische Rekonstruktionen und künstlerische Arbeiten, die eine antike oder zeitlose Ästhetik anstreben. Der weiche Kontrast und der Reichtum an Schattierung erzeugen eine sehr malerische Atmosphäre, die die Fotografien fast wie Gemälde erscheinen lässt. Die Technik ist besonders beliebt bei Fotograf, die ihre Arbeiten durch den chemischen Prozess in einen künstlerischen, handwerklichen Rahmen setzen möchten.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Das Van Dyke Brown-Verfahren war während der späten 1800er Jahre weit verbreitet und wurde von Fotografen genutzt, die auf der Suche nach einer Alternative zu den klassischen Silbergelatineabzügen waren. Im 20. Jahrhundert geriet es jedoch in Vergessenheit, da moderne Technologien die Herstellung von Drucken vereinfachten. Heute wird das Verfahren von alternativen Fotografen und Künstler geschätzt, die an der Wiederbelebung traditioneller Methoden interessiert sind.

Zeitgenössische Künstler, die mit Van Dyke Brown arbeiten:

  • Joni Sternbach (USA): Bekannt für ihre großformatigen Seewasserporträts, die sie mit traditionellen Verfahren wie dem Van Dyke Brown-Prozess erstellt. Ihre Arbeiten vermitteln eine atmospärische Tiefe und eine historische Bildsprache.
  • Kathy Raines (USA): Ihre Van Dyke Brown-Drucke sind bekannt für ihre weichen Kontraste und die subtile Bildstruktur, die eine nostalgische Atmosphäre erzeugen.
  • Christopher James (USA): Ein Verfechter der alternativen Fotografie, der das Van Dyke-Verfahren in seiner praktischen und lehrreichen Arbeit zur Geschichte der Fotografie integriert.

3.13 Tintype (Ferroseliniert oder Eisenplattenfotografie)

Die Tintype-Fotografie, auch als Ferroseliniert oder Eisenplattenfotografie bekannt, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts populär und war eine der ersten täglichen Fototechniken, die eine relativ schnelle und günstige Methode zur Erstellung von Fotodrucken bot. Obwohl die Tintype heute oft mit historischen und antiken Bildern verbunden wird, erleben ihre einzigartigen visuell ausdrucksstarken Qualitäten in der zeitgenössischen Kunstszene eine gewisse Renaissance.

Chemisches Prinzip

Die Tintype verwendet eine Dünne Eisenplatte, die mit einer lichtempfindlichen Schicht, meist bestehend aus Silberhalogeniden, empfindlich gemacht wird. Diese Schicht wird dann belichtet und entwickelt, was zu einem positiven Bild führt, das direkt auf der Metalloberfläche zu sehen ist. Während der Prozess in vielerlei Hinsicht mit anderen historischen Verfahren wie der Daguerreotypie verglichen werden kann, bietet die Eisenplatte den Vorteil, dass sie sowohl relativ billig als auch sehr widerstandsfähig ist.

Die Resultate sind oft sehr kontrastreich, wobei die Bilder auf der schwarzen Eisenoberfläche gedruckt werden, was eine starke Schwarz-Weiß-Tonalität erzeugt. Ein auffälliges Merkmal der Tintype ist, dass das Bild direkt auf der Oberfläche der Platte zu sehen ist, was ihm eine unmittelbare physische Präsenz verleiht.

Technische Eigenschaften

  • Bildträger: Dünne Eisenplatten oder Metallträger, die mit einer lichtempfindlichen Schicht überzogen werden
  • Farben: Vor allem Schwarz-Weiß mit einem starken Kontrast, wobei die Metalloberfläche der Platte je nach Belichtung und Entwicklung mit dunklen Tönen reagiert
  • Kontrast: Sehr hoher Kontrast, was zu dramatischen und tiefen Schatten führt
  • Haltbarkeit: Sehr robust im Vergleich zu Papierabzügen und weniger anfällig für Schäden durch Licht oder Feuchtigkeit
  • Belichtung: Eine kurze Belichtungszeit, die in der Regel nur wenige Sekunden dauert (abhängig von der Lichtquelle)

Künstlerische Qualitäten

Die Stärke der Tintype liegt in der unmittelbaren, handwerklichen Qualität des Bildes. Die resultierenden Bilder auf Metall haben eine robuste Textur und eine charakteristische Unvollkommenheit, die in der heutigen Kunstfotografie sehr geschätzt wird. Der große Kontrast zwischen dunklen Schatten und hellen Highlights verstärkt den dramatischen Effekt und verleiht den Arbeiten eine lebendige Präsenz.

Ein weiteres markantes Merkmal der Tintype ist, dass sie oft im Kontaktverfahren erstellt wird, was zu einer detaillierten, fast „plastischen“ Bildqualität führt. Das Verfahren ist ideal für Porträts, besonders für Vintage- und Historien-Ästhetiken, wobei viele Künstler die Tintype für ihre zeitgenössische Porträtfotografie wiederverwenden.

Historische und zeitgenössische Anwendung

Die Tintype war im 19. Jahrhundert eine sehr populäre Technik, besonders für Porträtfotografen, da sie günstig war und gleichzeitig schnelle, klare Abzüge ermöglichte. Die Eisenplatte war widerstandsfähig und konnte leicht transportiert werden, was die Tintype zu einem beliebten Medium bei Reisefotografen und Straßenporträtfotografen machte.

Heute ist die Tintype ein sehr geschätztes Verfahren in der Welt der alternativen Fotografie und wird von Fotografen verwendet, die das Gefühl und die Ästhetik vergangener Zeiten mit modernen künstlerischen Konzepten kombinieren möchten.

Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen, die mit Tintypes arbeiten:

  • Eric William Carroll (USA): Ein Fotograf, der für seine historisch inspirierten Porträtfotografien bekannt ist und dabei das Tintype-Verfahren verwendet, um eine antike Atmosphäre zu erzeugen.
  • Sally Mann (USA): Die renommierte Künstlerin hat für ihre Porträts und Landschaftsbilder auch mit der Tintype-Technik experimentiert, um die zeitlose, kraftvolle Ausstrahlung ihrer Bilder zu verstärken.
  • David Green (Großbritannien): Verwendet Tintypes in einer Serie, die historische Themen mit modernen Porträttechniken verbindet, um eine kraftvolle Bildsprache zu schaffen.

4. Künstlerische Relevanz und Ausdrucksmöglichkeiten

Die Edeldruckverfahren bieten Fotografen eine einzigartige Möglichkeit, ihre Werke mit einer besonderen künstlerischen Handschrift zu versehen. Die verschiedenen Verfahren erlauben es, Bilder mit unterschiedlichen ästhetischen Qualitäten zu schaffen, die das Wesentliche der Fotografien auf eine Weise zum Leben erwecken, die digitale Druckmethoden nicht erreichen können.

4.1 Die „Handschrift des Bild-Autors“: Ausdruck durch Technik

In der Edeldruckfotografie ist der individuelle Ausdruck des Künstlers entscheidend. Jedes Bild ist ein Unikat, das die technischen Fertigkeiten und die kreative Vision des Fotografen widerspiegelt. Diese Verfahren sind keine rein technischen Prozesse, sondern erfordern ein tiefes Verständnis der chemischen Prozesse und der materiellen Eigenschaften der verwendeten Materialien.

4.2 Edeldruck als bewusste Gegenbewegung zur Massenfotografie

In einer Zeit, in der die digitale Fotografie und die damit verbundenen Massenproduktionen dominieren, stellen die Edeldruckverfahren eine bewusste Gegenbewegung dar. Hier geht es nicht um Reproduzierbarkeit, sondern um Individualität und Authentizität. Das handwerkliche Element und die zeitaufwendige Herstellung eines jeden Abzugs sind ein Statement gegen die Standardisierung der digitalen Fotografie.

4.3 Rolle im Piktorialismus und Kunstfotografie des 19. Jahrhunderts

Im 19. Jahrhundert war die Edeldrucktechnik ein wichtiger Bestandteil der Piktorialismusbewegung, die sich als künstlerische Reaktion auf die zunehmende Technisierung der Fotografie verstand. Künstler wie Alfred Stieglitz und Edward Steichen verwendeten Techniken wie den Platin- und Palladiumdruck, um ihre Bilder aus der rein dokumentarischen Fotografie herauszulösen und als Kunstwerke zu etablieren. Der Piktorialismus legte besonderen Wert auf die ästhetische Gestaltung und den subjektiven Ausdruck des Fotografen, was perfekt mit den manuellen, langwierigen Techniken des Edeldrucks harmonierte.

4.4 Einfluss auf zeitgenössische alternative Fotografie

Heute erlebt die alternative Fotografie eine wahre Wiedergeburt, da immer mehr Fotografen die Edeldruckverfahren wiederentdecken und in ihren Arbeiten einsetzen. Diese Verfahren bieten eine tiefe Verbindung zwischen Künstler und Werk, die mit den schnellen, digitalen Produktionsmethoden nicht zu erreichen ist. Auch im Kontext der modernen Kunstfotografie bieten die Edeldrucktechniken eine interessante Möglichkeit, alte Handwerkstraditionen mit modernen ästhetischen Konzepten zu verbinden.

5. Vergleich und Bewertung der Verfahren

Die verschiedenen Edeldruckverfahren unterscheiden sich in mehreren Punkten, darunter Ästhetik, technische Anforderungen, Zeitaufwand und Archivfestigkeit.

5.1 Ästhetik und Bildwirkung

Jedes Verfahren bringt eine eigene Bildästhetik hervor. Der Cyanotypie eignet sich besonders für experimentelle und abstrakte Arbeiten mit intensiven Blau-Tönen, während der Platin- und Palladiumdruck mit einer subtilen Farbabstufung und starker Detailgenauigkeit besticht. Der Salzdruck ist ideal für romantische oder historische Darstellungen, und der Albumindruck ermöglicht besonders detaillierte und fein strukturierte Abzüge.

5.2 Technische Anforderungen und Lernkurve

Die Edeldruckverfahren erfordern eine lange Einarbeitungszeit und technisches Know-how. Die Vorbereitung und die Durchführung der Techniken sind viel aufwendiger als bei digitalen Druckverfahren, was zu einer langen Lernkurve führt. Doch gerade diese Herausforderungen machen das Arbeiten mit Edeldruckverfahren für viele Fotografen reizvoll.

5.3 Zeit- und Materialaufwand

Die Herstellung eines einzelnen Abzugs kann Wochen dauern, vor allem bei Verfahren wie dem Platin- oder Palladiumdruck, bei denen mehrere Schichten aufgetragen und präzise bearbeitet werden müssen. Diese zeitintensive Arbeit ist im digitalen Zeitalter eine Seltenheit, weshalb die Edeldrucktechniken als ein wahres Handwerkskunst angesehen werden.

5.4 Archivfestigkeit

Die Haltbarkeit der Edeldrucke ist ein weiterer entscheidender Vorteil. Besonders Platin- und Palladiumabzüge sind für ihre langlebige Archivfestigkeit bekannt. Die verwendeten Edelmetalle und chemischen Prozesse garantieren eine hohe Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegen Verfall.

5.5 Digitale Hybridtechniken

In der heutigen Zeit ist es auch möglich, digitale Negative zu verwenden, um mit den traditionellen Edeldruckverfahren zu arbeiten. Diese Technik verbindet die Präzision der digitalen Fotografie mit der Handwerkskunst der Edeldruckverfahren und eröffnet Fotografen neue Ausdrucksmöglichkeiten.


6. Edeldruckverfahren in der zeitgenössischen Fotokunst

Die Edeldruckverfahren erleben in der zeitgenössischen Fotografie ein beeindruckendes Revival. Immer mehr Fotografen und Künstler suchen nach alternativen Wegen der Bildproduktion, um ihre Werke von der Masse der digitalen Bilder abzuheben.

6.1 Revival durch Künstler, Druckwerkstätten, Fotokurse

In den letzten Jahren ist ein zunehmendes Interesse an den traditionellen Edeldruckverfahren festzustellen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Druckwerkstätten, die sich auf die Restaurierung und den Druck mit historischen Verfahren spezialisiert haben. Auch Fotokurse, die sich auf alternative Fototechniken konzentrieren, erleben eine steigende Nachfrage.

6.2 Rolle in Kunsthochschulen und Galerien

Edeldruckverfahren finden zunehmend ihren Platz in Kunsthochschulen, wo Studierende die Möglichkeit haben, die Techniken der historischen Fotografie zu erlernen. In Galerien sind sie ein beliebtes Mittel, um die Handwerkskunst der frühen Fotografie zu bewahren und gleichzeitig moderne Ästhetik zu integrieren.

6.3 Verbindung von analoger Technik mit digitaler Technologie

Moderne Fotografen kombinieren oft analoge Edeldrucktechniken mit der digitalen Technologie. Dies ermöglicht es, die präzisen technischen Möglichkeiten der digitalen Fotografie mit den künstlerischen Aspekten der manuellen Druckprozesse zu verbinden. Besonders die Verwendung von digitalen Negativen in Kombination mit traditionellen Verfahren eröffnet neue kreative Horizonte.

7. Bedeutede Künstler und Vertreter

Historisch:

  • Julia Margaret Cameron (Albumindruck)
  • Edward Steichen (Gummidruck, Bromoil)
  • Gertrude Käsebier
  • Alfred Stieglitz (Platin/Piktorialismus)
  • Frederick Evans (Platin/Palladium)
  • Gustave Le Gray (Wachs- und Albuminverfahren)

Zeitgenössisch:

  • Christina Z. Anderson
  • Mark Osterman & France Scully Osterman
  • Kerik Kouklis (Palladium & Bromoil)
  • Tillman Crane (Platin)
  • Nobuyuki Kobayashi (Washi + Platin)
  • Künstler*innen-Kollektive, z. B. The Penumbra Foundation